Jugend musiziert aus der Sicht eines langjährigen Jurors

Ein Interview mit Dr. Leon Bly

Er ist einer der dienstältesten Juroren beim Regionalwettbewerb von Jugend musiziert in Stuttgart: Dr. Leon Bly. Er war selbst Lehrer an der Stuttgarter Musikschule und dirigierte unter anderem über viele Jahre das Sinfonische Jugendblasorchester (SJBO).

Ein Schüler wird von umstehenden Personen für seine Leistung beklatscht

Drei volle Tage saß er auch dieses Jahr wieder als Jury-Vorsitzender bei den Wettbewerbsvorspielen der Kategorie „Blasinstrumente Solo“ im Robert-Bosch-Saal. Am Rande des Wettbewerbs haben wir dieses Interview geführt.

Herr Dr. Bly, erinnern Sie sich an Ihr erstes Mal als Juror beim Regionalwettbewerb „Jugend musiziert“?

Ich habe bereits in meiner Zeit als Musikschullehrer in Jurys gesessen, außerhalb Stuttgarts. Aber ich glaube, das allererste Mal war tatsächlich hier in Stuttgart, kurz nachdem ich hierher kam. Das müsste dann etwa 1985 gewesen sein. Da hat der Wettbewerb in den Räumen der Musikhochschule stattgefunden und es dürfte die Wertung von Posaune, Horn und Tuba gewesen sein. Die Vergabe der Punkte war damals sehr streng, nämlich so, wie es heute nur auf Bundesebene ist, daher gab es wenige 1. Preisträger mit Weiterleitung. Aber wenn ich an den Standard von damals denke, dann kann ich sagen, dass das Niveau der Schülerinnen und Schüler in Stuttgart fantastisch gestiegen ist.

Das Niveau des Wettbewerbs ist in den Jahren gestiegen

Was macht Ihnen an Jugend musiziert Freude, weshalb kommen Sie immer wieder als Juror?

Es ist toll, die Entwicklung der jungen Leute zu sehen. Ich erlebe sie, wenn sie klein sind und über die Jahre wachsen. Es macht Freude, den ganzen Tag immer wieder tolle Vorträge zu hören, egal ob es in der Altersgruppe 1b ist, wo man denkt: „Wow!“, oder in Kategorie 5 oder 6. Ich habe einmal in der Begrüßungsrede als 2. Ausschussvorsitzender bei einem Preisträgerkonzert gesagt: „Als ich jung war, habe ich gemeint, ich spiele gut. Ich war sicher auch gut, aber das Niveau der Musikalität der heutigen Beiträge ist erstaunlich!“

Ein Juryvorsitzender hat viel zu tun

Welche Aufgaben hat der Vorsitzende einer Jury?

Ich werte gemeinsam mit meinen Kollegen und habe dabei auch nur eine Stimme wie sie. Aber darüber hinaus muss ich den gesamten Ablauf im Auge haben. Ich schreibe das Protokoll und verkünde nach den Wertungsspielen öffentlich die Ergebnisse. Ich begrüße die Schüler zu Beginn ihres Vortrags und frage sie, ob sich die Reihenfolge des angemeldeten Programms geändert hat. Dabei versuche ich auf die Kinder zuzugehen, nette Worte zu sagen und somit Spannung wegzunehmen. Eine Kollegin meinte, das würde ich großväterlich machen... Ich begrüße auch das zuhörende Publikum und stelle kurz die Jury vor.

„Eine wichtige pädagogische Sache“

Herr Dr. Bly, welche pädagogischen Aspekte sehen Sie bei einem solchen Jugendwettbewerb?

Wenn es Mitbewerber gibt, kann der Lehrer das nutzen, um Schüler zu motivieren, ein bisschen mehr als gewöhnlich für ihr Instrument zu tun, und das ist eine wichtige pädagogische Sache. Das Interesse muss aber von Seiten des Schülers da sein, nicht nur vom Lehrer und besonders nicht von ehrgeizigen Eltern. Ich habe selbst nicht so viele Schüler zum Wettbewerb geschickt, denn wenn sie die Arbeit scheuen, selbst wenn sie gut sind, habe ich sie nicht überredet. Aber bei anderen Schülern konnte man in den Monaten, wo man am Programm arbeitet, eine große Entwicklung sehen, und wenn sie dann in die nächste Runde kamen, konnten sie alles noch perfektionieren – davon profitieren die Schüler sehr. Ein Kollege hier an der Musikschule sagte zu seinen Schülern: „Es gibt diesen Wettbewerb Jugend musiziert, du kannst dafür etwas vorbereiten und vorspielen, und es kann sogar einen Preis geben!“ Er hat sie motiviert teilzunehmen, wobei das Mitmachen im Vordergrund stand und nicht der Druck, einen Preis zu machen.

Manchmal läuft es anders als man denkt…

Gibt es eine außergewöhnliche oder lustige Begebenheit, die bei Ihrer Jurorentätigkeit in den letzten Jahren passiert ist?

Dieses Jahr habe ich ein junges Mädchen wegen des Ablaufs des Programms gefragt. Sie hat gemeint, ja, sie spielt es in der gedruckten Reihenfolge, und so habe ich es dann den Zuhörern und der Jury vorgelesen. Dann hat sie angefangen in einer anderen Reihenfolge zu spielen. Bei der Ergebnisbekanntgabe habe ich sie, wie alle anderen, zu mir geholt und ihr gesagt, natürlich mit lächelndem Gesicht, sie solle einen alten Mann nicht total durcheinander bringen. „Du hast mir gesagt, du spielst dein Programm wie abgedruckt. Jetzt denken alle, dass der Alte wirklich dement ist! Aber Du hast trotzdem super gespielt: Mit 25 Punkten ein 1. Preis!“

Das Interview führte Holger Spegg
Foto: Holger Spegg

(Erstellt am 22. Februar 2024)

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